Winterliches Bulgarien
Wegbereiter für individuelle Gastlichkeit
Sonnen- und Goldstrand in Bulgarien sind bekannt. Aber Skilaufen in Bulgarien, davon hab ich nie gehört. Das will ich mir anschauen. Und so landet an diesem sonnigen Wintertag meine Maschine auf einem Flughafen, auf dem nichts an seine kommunistische Ära erinnert.
Vielmehr betrete ich einen modernen, ästhetisch eindrucksvoll großen Glasbau, den ich auch kurze Zeit später mit einer munteren Truppe verlasse, die dort verabredungsgemäß zusammengebracht wurde. Hinter uns die Stahl- und Glasfassade, vor uns in der Ferne das mächtig thronende, schneebedeckte Witoscha-Gebirge. Wir alle sind nun gespannt auf dieses für uns unbekannte osteuropäische Land.
Während sich im Bus eine feixende Gruppe gegenseitig beschnuppert, ziehen unendlich viele riesige Plattenbauten in den Vororten der Bulgarischen Hauptstadt Sofia an uns vorbei. „80 Prozent von den fast 500 000 Wohnungen der 1,3 Millionenstadt,“ so ertönt es aus dem Lautsprecher von unserem neuen Reiseleiter Stojan, „sind in privatem Besitz.“ Und während sich wenig später unser großes Gefährt in die Altstadt mit ihren mächtigen Bauten der Gründerzeit und den schmalen Straßen hinein drängt, fallen bei den Stopps vor Staus und Ampeln die vielen jungen Leute ins Auge. „98 000 Studenten,“ so ertönt es aus dem Lautsprecher auf unsere Frage, „studieren hier an 16 Universitäten
Das eigene Hotelzimmer in einem dieser renovierten, mächtigen Prachtbauten ist riesig und plüschig, und so geht’s entsprechend beschwingt zur Stadtführung hinein in eine der ältesten Städte Europas. Stojan beginnt mit dem römischen Thermenbau, der heutigen Georgs-Kirche und führt uns weiter zur Nationalbank. Und in diesem Gebäude, da funkeln seine Augen, drei gut gesicherte Stockwerke tiefer, lagert in den Tresoren der größte Schatz seines Landes. Dabei handelt es sich nicht um Gold, sondern um Rosenöl. Wie wir ihn staunend ansehen, sagt er mit Stolz, dass Bulgarien der größte Rosenölproduzent der Welt ist. Und da wendet er sich unseren Damen zu und unterstreicht, dass Rosenöl der Grundstock für alle hochwertigen Parfüme dieser Welt ist. „Aus viereinhalb Tonnen Rosenblätter,“ und dabei erhebt er seinen Zeigefinger und seine Stimme, „gewinnt man einen Kilogramm Rosenöl.“
Schwer beeindruckt schreiten wir weiter zum Wahrzeichen von Sofia, der gigantischen bulgarisch-orthodoxen Alexander-Newski-Kathedrale. Sie ist uns schon am Mittag bei der Anreise mit ihren mächtigen goldenen Kuppeln aufgefallen.
Noch im Bus auf der Fahrt ins Witoscha-Gebirge zum Nachtskilaufen schwärmen wir von den vielen gigantischen Bauwerken. Und als sich unser Bus dann auf der gepflasterten, holprigen Straße mühevoll die steilen Serpentinen hinauf quält, ist bei allen die Vorfreude auf das anstehende nächtliche Skivergnügen anzumerken. So bricht auch ein allgemeiner Freudenschrei aus, als mitten aus dem Dunkel der Nacht die lang ersehnte, hell erleuchtete Skipiste in dieser Hochmulde auftaucht.
Jetzt geht alles ganz schnell. Die bestellte Skiausrüstung wird in Empfang genommen und auf geht’s zur Piste. Wie ich kurze Zeit später den Skilift oben verlasse, komme ich mir doch etwas verloren vor. Da stürzen sich die jungen Leute rechts und links neben mir den steilen Hang hinunter, als würden sie nichts anderes in ihrem Leben machen. Im gemütlichen Tempo mache ich mich dann doch auf den Weg. Wohl wissend, dass ich lange nicht mehr auf solchen Brettern gestanden habe. Deshalb bewege ich mich auch auf den Pistenrand zu, der nur von wenigen genutzt wird. Wie mich dann meine Carvingski ungewohnt einfach durch die steilen Kurven tragen, kommt Mut zu neuen Fahrten auf.
Am nächsten Morgen macht sich der gestrige, ungewohnte Sport in den Oberschenkeln bemerkbar. Jetzt rächt sich, dass ich zu Hause keine Skigymnastik gemacht habe. Und so schleiche ich mich aus dem Bett zum Fenster. Schaue hinüber zur Siegesgöttin Nike, die auf beiden Türmen des Nationaltheaters Iwan Wasow siegessicher auf ihrem Wagen in diesem Moment bestimmt grinsend zu mir hinüber schaut. Nun, wenigstens ist keine Wolke am Himmel aus meinen halb geöffneten Augen zu sehen.
Aufgeregt erzählt man später im Bus auf der Fahrt ins Skigebiet Bansko im Pirin-Gebirge von Robbie Williams, der derzeit in unserem Stadthotel wohnt. Das jedoch habe ich spätestens am flackernden Kamin bei einem Besuch im großzügigen Pirin Golf & Country Club unweit unseres neuen Domizils Bansko vergessen. Ich mache es mir in einem dieser riesigen Sessel gemütlich, genieße den Duft des Holzes und vergesse die Zeit am flackernden Feuer.
Während die unerschrockenen Skifans unserer Gruppe nichts Eiligeres zu tun haben, als sich mit ihren Brettern auf die neue Piste zu stürzen, lasse ich die Seele in unserem Hotel baumeln und genieße den Wellnessbereich – einen Ort der Entspannung in diesem Haus mit Sauna,
großzügigem Pool, den ich zu dieser Zeit fast für mich alleine habe. Später, viel später, lindert eine bestens ausgebildete Therapeutin mit wohltuender Massage von Kopf bis Fuß mit einem Lächeln auf dem Gesicht meinen Muskelkater. Zum gemütlichen Ausklang des Tages lädt die traditionelle, überschwängliche bulgarische Küche ein.
Wie ich dann beim gestrigen Abendessen von diesen guten Pisten gehört habe, muss ich da auch auf
den 2746 Meter hohen Todorka-Gipfel hinauf. Wohl wissend, dass in zwei Wochen, am 26. Februar 2011 die Weltcup Super-Kombination der Herren genau hier an diesem Berg ausgetragen wird. Und so steige ich in den Banderitza-Sessellift, der mich hier von der Endstation der Bansko-Seilbahn weiter hinauf zum 2600 Meter hoch gelegenen Plateau bringen wird. Bereits nach wenigen Metern wird unter meinem Sessellift gerade die riesige Zuschauertribüne im Zielstadion für dieses einmalige Großspektakel aufgebaut. Und weiter oben dann die sensationelle Abfahrtsstrecke, auf der sich die Ski-Profis einer Porsche-Rennstrecke ähnlich hinunter stürzen.
Wie jetzt der Lift auf dem Plateau unterhalb des Todorka-Gipfels unter diesem stahlblauen Himmel endet, schaue ich mich erst einmal um inmitten des Pirin-Gebirges, einem einmaligen Bergpanorama im Südwesten Bulgariens, das auch abseits der festen
Strecken „der“ Freeride-Hotspot zu sein scheint. Lange genieße ich die sensationelle, hochalpine Rundumsicht dieser beliebtesten Wintersportregion Osteuropas.
Inmitten eines für mich fremdartigen Sprachgewirr bin ich plötzlich umzingelt von hübschen jungen Ukrainerinnen, die die Fahne ihres Landes ausgelassen schwenken. Sie stehen - wie sie mir erzählen - zum ersten Mal auf Skiern und gehörten meiner Einschätzung nach doch eher auf einen Laufsteg als hier auf die rote Piste.
Ich jedenfalls entscheide mich für die blaue Strecke hinüber zum Mosta-Lift und dann weiter zur Banskoseilbahn-Endstation. Im gemütlichen Tempo gehe ich diese weniger steile Strecke an, meistere einige Abfolgen schwieriger Kurven und versuche, so sauber wie möglich zu fahren, wie ich es früher einmal gelernt habe. Immer muss ich daran denken, um wie viel steiler die
Weltcup-Strecke der Ski-Profis hier nebenan ist, die sie gerade noch präparieren, und wie waghalsig sie diese Strecke hinunter knallen.
Nach mehreren aufregenden Abfahrten endet meine Herausforderung dann für diesen Tag an einem verabredeten Sammelpunkt. Von hier aus werden wir zu einer Berghütte gelotst, die äußerst versteckt auf einer Waldlichtung steht.
Windgeschützt nehmen wir draußen an reichlich gedeckten Tischen Platz und genießen das Mittagessen bei herrlichstem Sonnenschein.
Bevor es am nächsten Tag nach Hause geht, entschließt sich die Gruppe spontan an diesem Nachmittag noch zum Besuch von Melnik und dem dort nahe gelegenen Roshen-Kloster. Viel haben wir von diesem kleinsten und bezaubernsten Städtchen Bulgariens nahe der Griechischen Grenze mit seinen gerade mal 300 Einwohnern gehört, das sich eingekesselt verborgen inmitten der einmaligen Melnischki-Sandpyramiden verkrochen haben soll.
Und dann, anderthalb Autobusstunden später, schlendern wir inmitten abendrot glühender Sandpyramiden, die uns an Kapadokien erinnern, durch die antike Atmosphäre der vergangenen Jahrhunderte mit beeindruckend üppiger Architektur.
Da das Roshen-Kloster bei Anbruch der Dunkelheit seine Pforte schließen soll, wird zum Aufbruch gedrängt. Da führt uns das schmale Sträßchen mit unserem riesigen Gefährt weiter die südwestlichen Hänge des Pirin-Gebirges hinauf. An meinem Fenster ziehen die außergewöhnlichsten, riesigen pyramidenförmigen Sandkegel hinter alten Holzhäuschen vorbei. Wäre da nicht der Zeitdruck und mein Verständnis dafür, dass unser großer Bus in diesen engen Örtchen nicht anhalten kann, ich würde alle hundert Meter Fotostopp rufen.
Im Kloster selber, das zu den größten Klöstern Bulgariens zählt, schaue ich mir kurz die Wandmalereien von 1597 und die holzgeschnitzten Ikonostasen und die Ikonen an,
bevor ich meine Gruppe verlasse, die weiterhin sehr interessiert zuhört, und gehe nach draußen. Und hier ist für mich das Bild vollkommen. Da bin ich tief ergriffen von den knallrot leuchtenden Melnischki-Pyramiden vor der Kulisse der Berge von Pirin und Belassiza. In dieser Abgeschiedenheit, einer unendlichen Ruhe, kommt tiefe Zufriedenheit in mir auf.
Gerd Krauskopf
Infos:
Gut gewohnt haben wir
In Sofia
Im Grand Hotel Sofia: Gurko Str. 1, 1000 Sofia, Bulgarien Tel.: (+359 2) 811 0811 Fax: (+359 2) 811 0953 www.grandhotelsofia.bg e-mail: concierge@grandhotelsofia.bg
In Bansko
im Hotel Perun Lodge, Bansko, Georgi Nastev Str, Bansko 2770, www.perunlodge.com/
Herrliche Klöster und Kirchen:
Wunderbare Klöster und Kirchen aller Größen findet man in Bulgarien oft wie hier die Heilige Dreifaltigkeitskirche in Bansko (1833-1837). Besonders eindrucksvoll ist der dreischiffige Innenraum mit seinen Ikonostasen aus geschnitztem Nussbaumholz und die Freskender Wände. Beides sind Meisterwerke des Künstlers Veljan Ognev (18. Jh.). Die Ikonen stammen von Dimitar und Simeon Molerov (18. Jh.).
Shuttle:
Die meisten Hotels bieten Ihren Gästen einen Shuttle für die Fahrt vom Flughafen zum Hotel an. Andere lassen sich diesen Service extra bezahlen.
Darüber hinaus gibt es bei großen Fluglinien wie Lufthansa oder Bulgarian Air einen kostenlosen Transport des Ski-Equipments.
Leihwagen:
Individual-Touristen können für 30€/Tag einen Leihwagen buchen und so unabhängig die einzelnen Skigebiete, wie Bansko, Aleko (Sofia) oder auch Pamporovo anfahren.
Skipässe:
Die Kosten für Skipässe in Bulgarien liegen je nach Skiort zwischen 25 Lv bis 55 Lv (ca. 12,50 € und 27,50 €). Die dazugehörige Skiausrüstung kann in einigen Hotels oder auch im ortsansässigen Ski-Verleih für 30 Lv/Tag (ca. 15,00€/Tag) oder 150 Lv/6 Tage (ca. 75,00 €/ 6 Tage) ausgeliehen werden.
Speisen und Folklore:
Urige, traditionelle Restaurants bieten oft Folklore mit landestypischem 3-Gänge Menü inclusive Wein für zwei Personen schon ab 50-70 Lv (ca. 25,00 – 35,00 €) an. Eine vierköpfige Familie zahlt zwischen 70-80 Lv (ca. 35,00 € und 40,00 €).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen