Musikalische Winterfluchten
Hotelier trotzt erfolgreich dem Massentourismus
Ein Inselpionier mit Visionen
Hünecke
blieb und setzte Schritt für Schritt mit bis heute großem persönlichen
Einsatz und Enthusiasmus seine Ideen eines vielfältigen
Individualtourismus um. „Mein Vorgänger Elias Ramos ist nicht zuletzt an
der damals hier noch völlig fehlenden Infrastruktur gescheitert“,
blickt Hünecke zurück.
Ramos
ging nach Lanzarote und machte Hünecke dort mit dem berühmten
spanischen Architekten Ce´sar Manrique bekannt. Der entwickelte in
wenigen Tagen eine Gesamtkonzeption für den naturnahen Umbau des Hotels:
Gärten, Vorplatz, Schwimmbecken - alles wurde natürlich-integrativ
gestaltet, mit Steinen, Pflanzen und Materialen aus der unmittelbaren
Umgebung.
Manrique
blieb nicht der einzige berühmte Zeitgenosse, den Hünecke persönlich
kennen und schätzen lernt. Der spanische König, Juan Carlos, half ihm,
dem begeisterten Freizeit-Pianisten und Liebhaber klassischer Musik die
kanarischen Musikfestspiele zu initiieren. Mit dem norwegischen Natur-
und Geschichtsforscher Thor Heyerdahl verband ihn bis zu dessen Tod
2002 eine enge Freundschaft.
Steinhaufen oder Pyramiden? – Forschung hautnah
Die
Früchte dieser Verbindung kommen uns Besuchern bei unseren ersten
Halbtagesexkursion in den „Parque Etnogra´fico Piramides de Gui´mar“
zugute, die Hünecke wie auch die folgende Ausflüge unseres einwöchigen
Programms selbst begleitet. Erst Mitte der neunziger Jahre wurden diese
Steinterrassen entdeckt, von denen man zunächst annahm,
Bauern
hätten sie angelegt. Durch eine Veröffentlichung in einer Tageszeitung
erfuhr Dr. Thor Heyerdahl von dem Fund. Der Anthropologe, der zum
damaligen Zeitpunkt bereits durch seine transozeanischen Expeditionen in
prähistorischen Booten und seine Theorien über Völkerwanderungen
internationale Berühmtheit erlangt hatte, war so fasziniert, dass er
nach
Teneriffa zog, um die Ausgrabungen systematisch voranzutreiben.
Mit
jedem Fortschritt der Archäologen sah Heyerdahl seine frühere Hypothese
mehr und mehr bestätigt, dass die Pyramiden von Guimar in direktem
zeitlichen und konstruktiven Kontext
mit
denen auf Sizilien, in Mexiko, Peru, Polynesien und Mesopotamien
stehen. Was dann auch bedeuten würde, dass schon vor Columbus der
Atlantik überquert wurde. Dass dies
möglich
war, hatte Heyerdahl Jahre zuvor bereits durch seine
Atlantikexpedition mit dem Papyrusboot „Ra II“ bewiesen. Hünecke
erläutert uns beim Durchwandern des weitläufigen
Ausgrabungsgeländes,
dass die Pyramiden zur Sommersonnenwende zum Sonnenuntergang, im Winter
zum Sonnenaufgang gerichtet seien, je nach Horizont des Ortes.Im Museum
sind u. a. die archäologischen Funde zu sehen, die unter Pyramide I zu
Tage traten: Ziegenknochen, Fischgräten, Fragmente von Keramiken,
Perlenketten und Steinwerkzeuge, mittels der Karbon-Methode allesamt
datiert in den Zeitraum von 680 – 1020 n. Chr., die Zeit der Guanchen,
der Ureinwohner Teneriffas.
Im
Auditorium des Museums vermittelt uns ein 15-minütigerDokumentarfilm
einen komprimierten Eindruck von Heyerdahls ehrgeizigem und unsteten
Forscherleben, dem die
Menschheit
viele wichtige Erkenntnisse verdankt, dem aber drei Ehen zum Opfer
fielen. Die Eröffnung seines Museums, dass eine seiner Töchter
künstlerisch mitgestaltete, und die
Verleihung der Ehrenbürgerschaft Teneriffas durfte Thor Heyerdahl noch erleben.
Der rote Berg oder: Der Winter ist weit weg
Nach
diesem faszinierenden „archäologischen“ Vormittag zieht es uns am
Nachmittag hinaus in die Natur. Unweit des Hotels beginnt am einen Ende
der Bucht von El Me´dano der Naturpark „Montana Roja“, den zahlreiche
Wanderpfade durchziehen, entweder von Bucht zu Bucht an der Küste
entlang
oder
in luftige Höhen, immer über rot schimmerndes Gestein. Wir entschließen
uns den gleichnamigem Berg zu erklimmen, ein wunderbares Naturerlebnis
bei 27 ° Celsius, leichtem Wind, immer wieder prächtigen Ausblicken und
nicht zuletzt in dem Wissen um Blitz-Eis und neue Schneefälle in der
Heimat. Auf dem Gipfel treffen wir ein älteres Paar, Ole und Kristiana
aus Norwegen, Winterflüchtlinge auch sie. Weniger Schnee als in
Deutschland, aber dafür minus 35 ° hätten sie vor ihrer Abreise erlebt.
Nun aber schweift unser aller Blick in sonnige Weiten und bleibt
fasziniert an den Nudisten der Playa Tejita hängen.
Unesco-Weltkulturerbe und faszinierende Vulkanlandschaften
Bereits
Teneriffas Ureinwohner, die Guanchen, zogen die kühlere Hochebene der
Küste vor. Kein Wunder also, dass auch die spanischen Eroberer hier mit
„La Laguna“ eine Siedlung bauten, die sie 1496 zur ersten Hauptstadt
Teneriffas machten. Obwohl 1723 die politische Macht an Santa Cruz
verloren ging, ist die lebendige Universitätsstadt mit Bischofssitz
bis heute das kulturelle Zentrum der Insel geblieben. Auf der
Unesco-Liste steht sie als Abbild klassischer spanischer
Kolonialarchitektur. Dieses koloniale Erbe wird sorgfältig gepflegt und
begegnet uns Besuchern an diesem wieder sonnigen, aber durch die
Höhenlage kühleren Morgen in Gestalt prachtvoller, exzellent
restaurierter Bauwerke. In der „Iglesia de Nuestra Senora de la
Concepción“, La Lagunas ältester Kirche, imponieren die wuchtige,
bemalte Holzdecke, eine filigran geschnitzte Barockkanzel und ein
Taufbecken, das der spanische Eroberer Alonso Fernandez aus Sevilla mit
brachte.
Szenenwechsel:
Von minutiös geplanter Architektur hinein in die majestätische und
zerklüftete Vulkanwelt des Teide Nationalparks. Wiederum begleitet uns
Hünecke selbst und die Stopps, die er auswählt, sind in ihrer Gesamtheit
ein Eldorado für Fotografen und Naturbegeisterte. 1954 eingerichtet,
ist der „Parque Nacional del Teide“ der älteste Nationalpark und mit 135
km 2 auch der größte der Kanaren. Dort, wo heute die
„Canadas“ liegen, die ebenen Sedimentschichten am Fuß des Vulkankessels,
wurde vor 7 Mio. Jahren durch vulkanische Aktivität das erste Land aus
dem Meer gehoben und Teneriffa nahm Gestalt an. Wir blicken in eine
virtuell anmutende Welt aus vielfarbig schillernden Aschehügeln, Ebenen,
Schluchten und Geröllhalden, mal glatt poliert, mal scharfkantig.
Überall sind einladende Wanderwege zu erkennen, die entweder recht eben
die Canadas durchstreifen oder sich zur Vulkanspitze empor winden. Heute
ist uns der halbe Ausflugstag zu wenig, als begeisterte Bergwanderer
verspüren wir eine innerer Unruhe, möchten spontan auf einer der Routen
los ziehen. Doch fürs Erste bleibt uns nur der Wunsch, beim nächsten
Besuch auf Humboldts Pfaden den Gipfel zu erklimmen…
Die große Diva und ihr Verlobter – Innigkeit und Perfektion auf der Bühne
Hünecke
wäre nicht Hünecke, wenn er nicht auch aus seiner Begeisterung für
klassische Musik ein gelungenes touristisches Angebot kreiert. So bietet
er nicht nur Musikwochen mit abendlichen Konzerten im Hotel an,
sondern vernetzt sein Programm zu Jahresbeginn auch regelmäßig mit dem
der alljährlich stattfindenden kanarischen Musikfestspiele.
In diesem Jahr erwartet uns Gäste nicht nur ein musikalisches Highlight, sondern auch eine Premiere: Im
weiten
Halbrund des architektonisch wie ein offener Flügel gestalteten
„Auditorio de Tenerife“ in der Inselhauptstadt Santa Cruz wird die
große Sopranistin Anna Netrebko erstmals gemeinsam ein Konzert mit ihrem
Verlobten, dem urugayischen Bass-Bariton Erwin Schrott, gestalten.
Begleitet werden die Beiden von der russischen Nationalphilharmonie
unter Vladimir Spivakov. Das in großer Besetzung angetretene Orchester
unterstreicht schon zu Beginn des Abends mit der in rasantem Tempo
perfekt vorgetragenen Ouvertüre der Oper „Ruslan und Ludmilla“ von
Mijail Glinka seinen Anspruch, nicht als braves Begleitmedium der beiden
Gesangsprotagonisten angereist zu sein, sondern das Konzert auch selbst
mit prägen zu wollen. Auch das später dargebotene „Intermezzo“ aus
Mascagnis „Cavalleria rusticana“ meint man selten so schön gehört zu
haben.
Die
Netrebko – oder Anna, wie die eingefleischten Fans sie im weiteren
Verlauf des Abends bejubeln werden – räumt erstmal kopfschüttelnd und
charmant lächelnd ein Mikrofon weg, dass irgendwer eigenmächtig auf die
Bühne gestellt hat. Kurz darauf ist in Auszügen aus Glinkas Oper ihre
Stimme auch im Piano bis in die letzten Reihen zu hören. Erwin Schrott,
ihr Lebenspartner, beginnt mit der Arie „Madamina, il catalogo e`questo“
aus Mozarts „Don Giovanni“. In der Folge spannen die beiden solo oder
in Duetten einen weiten Bogen über Gounod, Verdi, Donizetti, Arditi,
Lehar, Dvorak bis zu George Gershwin. Bereits in den Soloauftritten
beeindruckt neben gesanglicher Perfektion auch das immense
gestalterische Potenzial der Protagonisten: So lässt sich beispielsweise
Erwin Schrott ein Pult auf die Bühne bringen, bevor er gestenreich
Donizettis „Liebestrank“ versteigert oder Anna Netrebko legt bei „Deine
Lippen küssen so heiß“ ein Stepp-Intermezzo ein. Was uns Zuhörer und
–schauer an diesem Abend aber besonders berührt, ist die Innigkeit, mit
der die Beiden ihre Duette interpretieren, egal ob Lehars „Lippen
schweigen“ oder Gershwins „Bess you is my woman now“. Man spürt, dass
sie sich auch jenseits der Bühne noch viel zu sagen haben…Eine große
Geste auch, wie sie dem grandiosen Orchester Tribut zollen: Netrebko und
Schrott verweilen Händchen haltend seitlich auf der Bühne, während
Vladimir Spiakov seine Musiker mit einer schmissigen Tango-Zugabe zu
einer letzten Höchstleistung treibt. Natürlich erleben wir das alles
hautnah mit; denn unser perfektionistischer Hotelier hat für seine Gäste
natürlich Karten in der achten, der aus seiner Sicht besten Reihe
besorgt. Dort sitze man in Augenhöhe der Sänger – stimmt!
Flip-Flops und Evergreens
Doch
abgesehen von diesem Abend mit „Weltstar-Atmosphäre“ werden wir auch
die Konzerte im Hotel „Playa Sur Tenerife“ als gleichermaßen gelungene
wie entspannende Abendunterhaltung in Erinnerung behalten. Die junge
Dame, der wir bei unserer Rückkehr vom Strand am späten Nachmittag
probend in Flip-Flops und Shorts begegnen, lernen wir abends festlich
gekleidet als die sympathische
Nachwuchs-Sopranistin
Yvonne Fiedler kennen, die gerade ihr Begabten Stipendium in Los
Angeles hinter sich gebracht hat. Begleitet von dem Berliner Pianisten
Jürgen Pfeiffer gestaltet sie mit schon sehr gut ausgebildeter Stimme
und viel Ausdruck alleine einen knapp zweistündigen Streifzug „Von der
Operette zum Musical“ mit einer Fülle von Klassikern wie z. B. Rodrigos
„En Aranjuez con tu amor“, Bernsteins Kompositionen „Somewhere“ und
„Tonight“, Arlens „Somewhere over the rainbow“, Webbers „Memory“. Auch
Strauss und Lehar sind naturgemäß wesentliche Bestandteile dieses
abwechslungsreichen Programms. Dass sie auch Klavier und Komposition
studiert hat, unterstreicht Yvonne Fiedler mit den zwei eigenen
Liedkreationen „Follow your inner voice“ und Rainbow colours“, bei denen
sie sich auch selbst begleitet.
Der Meister und sein Schüler
Der
Pianist Professor Valerij Petasch kommt Jahr für Jahr nsach El Medano
und hat zahlreiche Fans. Auch an diesem Abend haben sich zahlreiche
Gäste aus der Umgebung eingefunden, die die Hotelhalle bis in den
letzten Winkel füllen. Petasch unterrichtet an der Universität Ulm
Hochbegabte anderer Professionen, die im Zweitstudiengang Klavier
studiere wollen. In
diesem Jahr har er seinen aktuellen Musterschüler Uli Schinkmann
mitgebracht, der im Hauptberuf als Zahnarzt arbeitet. Seinen Patienten
mag man wünschen, dass er bei der Sanierung ihrer Zähne die gleiche
Virtuosität an den Tag legt wie am Klavier, wo er das Programm mit einem
„Nocturne“ von Chopin“ und dem „Liebestraum“ von Liszt gekonnt
eröffnet. Dennoch findet der hochbegabte Musterschüler dann in Petasch
seinen Meister. Denn als dieser wenige Augenblicke später am gleichen
Flügel Schuberts „Ständchen“ und einen Walzer von Chopin zelebriert,
wird in seiner vollendeten dynamischen Spannbreite und der
gleichzeitigen Sanftheit seines Anschlags der feine Unterschied hör- und
spürbar. Im zweiten Teil ihres Klavierabends begeistern die beiden
Künstler ihr Publikum mit vierhändigen Interpretationen wie z.B. den von
Petasch eigens arrangierten „Paganini-Variatonen“, Schinkmanns
Eigenkomposition „Nacht in Santa Cruz“ oder der ersten umjubelten
Zugabe, Johann Strauss` „Frühlingsstimmenwalzer“. Auf Teneriffa, der
Insel des ewigen Frühlings, wäre das doch schon ein runder Abschluss an
unserem letzten Abend gewesen. Doch die beiden Künstler entdecken die
junge Sängerin im Publikum: Nach kurzem Zögern und ohne Warmsingen
erleben wir eine spontane Uraufführung – Gershwins „Summertime“ mit
Yvonne Fiedler, am Klavier vierhändig begleitet von den beiden Virtuosen
des Abends.
Von
frühlingshafter Natur und musikalischer Vielfalt intensiv verwöhnt,
hoffen wir, genug Kraft getankt zu haben, um die noch anstehenden
dunklen Wintermonate mental unbeschadet hinter uns zu bringen. Der
Vollständigkeit halber bleibt nur noch zu erwähnen, dass uns Hotelchef
Hünecke, der Kavalier der alten Schule, am nächsten Morgen persönlich
zum Flughafen bringt…
Text und Fotos: Uwe und Stefan Junker
Reise – Tipps
Reiseführer:
Marco Polo – Teneriffa, von Sven Weniger, kurz und knapp, aber ein guter Einstieg mit vielen Insider-Tipps
Michael
Müller Verlag – Reisehandbuch Teneriffa von Irene Börjes, ausführlich
mit der für diese Reihe üblichen Informationsdichte, ideal
Individualtouristen
Reiseveranstalter:
Zum Beispiel TTS – Teneriffa Touristik Service GmbH, Hatwicusstraße 3,
22087 Hamburg, Telefon: 040-2201477, e-mail: info@tts-touristik.de; www.tts-touristik.de
Umfangreiches Angebot verschiedener Reiseschwerpunkte: Wander-, Sport-,
Erlebnis-, Musik- und Kulturreisen, die auch individuell kombiniert
werden können.
Für
vorwiegend an klassischer Musik Interessierte: Classic Highlights
Reisen GmbH, Kirchstraße 2, 51702 Bergneustadt, Telefon: 02261-4058440.
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