Madama Butterfly, Oper von Giacomo Puccini
Musikalische Leitung: Stefan Soltesz
Inszenierung: Tilman KnabePremiere: 21.04.2011, Aalto-Musiktheater; Essen
Inszenierung: Tilman KnabePremiere: 21.04.2011, Aalto-Musiktheater; Essen
Konsequent in den Tod
Was Puccini wollte
Die
Puccini Oper war 1904 bei ihrer Uraufführung in der Mailänder Scala ein
Reinfall. Erst nach Eingriffen in das Libretto stellte sich der Erfolg
ein. Der Komponist bezeichnete sie als „die gefühlteste und
ausdrucksvollste“ Oper, die er je geschrieben habe. Die Protagonistin
ist eine tragische Figur, die an ihrer Lebenslüge scheitert und daran
zugrunde geht. Die Oper wurde oft falsch interpretiert und mit den
Attributen „Süßlichkeit und Kitsch“ abgetan. Dabei hat Puccini szenisch
und musikalisch exakte Regieanweisungen gegeben, die keine dieser
Auffassungen rechtfertigen. Die Oper enthält viel politischen Zündstoff,
ist zeitlos und sozialkritisch. Kompositorisch hat Puccini der
Titelheldin weitaus mehr Raum überlassen, als allen anderen
Frauengestalten in seinen Werken zuvor.
Handlung
Cho
Cho San, die japanische Geisha, auch Butterfly genannt, ist in
abgöttischer Liebe zu Pinkerton, einem amerikanischen Marine-Offizier,
entbrannt. Für ihn wechselt sie zum Katholizismus und wird daraufhin von
ihrer Familie verstoßen. Als Pinkerton in die Staaten zurückkehrt,
wartet sie sehnsüchtig auf seine Rückkehr. Es kommt zur Katastrophe, als
er das gemeinsame Kind zu sich holen will.
Zeitlose Inszenierung
Auch
Tilman Knabe fokussiert in seiner Inszenierung den zeitlosen Charakter
der Oper. Seine Butterfly weiß, worauf sie sich einlässt und geht
konsequent ihren Weg. Überzeugt davon mit Pinkerton das große Los
gezogen zu haben, bricht sie mit allen Traditionen und legt ihren Kimono
ab. Der erste Akt spielt in einem nüchtern ausgestatteten
Wohncontainer, der die Funktion einer vorübergebenden Bleibe hat.
Pinkerton und Goro werden sich schnell handelseinig, der Vermählungsakt
geht über die Bühne. Romantik kommt in der sterilen Atmosphäre des
Containers nicht auf. Für den Offizier ist die Ehe mit „Butterfly“ nur
eine Verbindung auf Zeit, um sich den Aufenthalt in einem fremden Land
so angenehm, wie möglich zu machen. Weder die Kultur Japans, noch die
tiefen Gefühle Butterflys interessieren ihn.
In
der Zukunft mit Pinkerton sieht Butterfly dagegen ihre einzige
Perspektive. Ihre Identifikation mit der US Kultur ist vollkommen und
spiegelt sich in Kleidung und Interieur. In der Inszenierung darf dann
auch „Obama“ nicht fehlen. Sein zum Kultstatus gewordenes Poster „Hope“
springt sofort ins Auge und lässt einige Zuschauer ein lautes „Buh“
anstimmen. Regisseur Knabe konfrontiert das Publikum im zweiten Akt mit
einer Frau, die sich ihren Illusionen im rosafarbenen Jogginganzug
hingibt, jeden Realitätsbezug verloren hat und unübersehbare Kennzeichen
des Fast Food Essens und ungehemmten Trinkens aufweist. Keine Spur mehr
von Anmut und Liebreiz. Ihr Domizil enthält Anzeichen von
Verwahrlosung, statt schmückender Blumen stapeln sich Plastiksäcke und
Müll. Total angepasst ans Milieu auch ihr Sohn mit Coca Cola Mütze und
Dienerin Suzuki mit Jeans. In der zunehmenden Schieflage des Containers
deutet die Regie unaufhaltsam das Drama an.
Butterflys Selbsttäuschung
Eindrucksvoll
lenkt Knabe immer wieder den Blick auf die Selbsttäuschung der
Protagonistin, die in ihrer armseligen Behausung dahin vegetiert.
Mittels intensiver Personenregie gelingt es Knabe, ihre Verletzlichkeit,
Verzweiflung und Perspektivlosigkeit wiederzugeben, besonders deutlich
wird dies in den großen Duettszenen und den berührenden Auftritten mit
ihrem Kind. Annemarie Kremer in der Rolle der Titelpartie lässt keine
Wünsche übrig. Ihr leuchtender Sopran transportiert jede Stimmung,
Darstellung und Stimme faszinieren durch große Ausdruckskraft und
gefühlvolle Tiefe. Luis Chapa verkörpert den Pinkerton klanglich
überzeugend, wünschenswert wären etwas mehr Schmelz bei den
Liebesschwüren. Rainer Maria Röhr gibt treffend den schmutzigen
Charakter Goros wieder, Ieva Prudnikovaite ist eine stimmtechnisch
ideale Suzuki. Auch die anderen Rollen sind exzellent besetzt und
bescheren dem Aalto Publikum einen erlesenen Abend.
Die
Essener Philharmoniker unter der Leitung von Stefan Soltesz spielen auf
gewohnt hohem Niveau. Begeisterter Beifall für das gesamte Ensemble.
Ursula Harms-Krupp
Weitere Aufführungen: 8.05., 10.05, 12.05, 14.05, 18.05,
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